„Ich wünsche mir, dass wir uns in Deutschland noch mehr für Internationalität öffnen"

Maria Irchenhauser, PhD, Deutsch Dozentin im Projekt Integrationscampus, spricht im Interview über ihre persönlichen Erfahrungen, Herausforderungen und beeindruckende Momente. Das Qualifizierungsprogramm, das vom Institut für Akademische Weiterbildung (IAW) organisiert wird, läuft noch bis zum Ende des Sommersemesters 2020.

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Im Interview: Maria Irchenhauser, PhD, Deutsch Dozentin im Projekt Integrationscampus. Quelle: Maria Irchenhauser

Frau Irchenhauser, welche Momente oder Erlebnisse haben Sie während Ihrer Zeit am Integrationscampus besonders beeindruckt?
Viele der Programmteilnehmer arbeiten wirklich sehr hart dafür, möglichst schnell und umfassend Deutsch zu lernen sowie Kontakt zu Land und Leuten in Deutschland aufzubauen. Sie nutzen jede Lernmöglichkeit und suchen laufend nach Gelegenheiten das Gelernte in die Praxis umzusetzen, indem sie sich z.B. außerhalb des Programms ehrenamtlich bei verschiedenen Organisationen engagieren. Das hat mich als Deutsch Dozentin beeindruckt.

Besonders schön fand ich auch, dass Teilnehmer uns Dozentinnen und Dozenten immer wieder Möglichkeiten boten, die Kulturen ihre Herkunftsländer kennenzulernen. Gern denke ich z.B. an eine Einladung zum gemeinsamen Fastenbrechen, ein festliches Abendessen nach Sonnenuntergang während des Fastenmonats Ramadan. Ein besonderes Erlebnis war auch ein Ausflug mit einem Kurs nach München, um einen der Teilnehmer bei einem Konzert singen zu hören. Die Idee hatte sich im Kurs ergeben, als der Teilnehmer von seinem Gospelchor erzählte und uns eine Kostprobe seines Gesangs gab. „Stand By Me“ sang er uns vor, und da haben wir ihn einfach beim Wort genommen und sind nach München gefahren, um bei seinem Soloauftritt dabei zu sein. Das Konzert war ein großartiges Erlebnis für alle!

Gab es Situationen, die Sie als herausfordernd erlebt haben?
Herausfordernd ist vielleicht nicht das passende Wort, aber es gab Gespräche mit Programmteilnehmern, die mich gedanklich sehr beschäftigen – Gespräche über die Situationen in ihren Heimatländern, über Krieg, Verfolgung, Unterdrückung und ständige Angst. Manche haben von ihren Erlebnissen während ihrer Flucht nach Deutschland erzählt, teilweise unter Todesgefahr, vom Leben in Flüchtlingscamps, von ihren Sorgen um ihre Familien und Freunde, und auch von ihren Träumen und Hoffnungen von einem neuen Leben in Sicherheit und Freiheit in Deutschland. Ich glaube, viele Menschen hier machen sich keinen Begriff davon, was Flüchtende tatsächlich auf sich nehmen und aufgeben, damit sie (wieder) ein Leben führen können, das wahrscheinlich die meisten hier als selbstverständlich betrachten – und was auch für einen Teil der Geflüchteten im Übrigen lange Zeit ihres Lebens auch selbstverständlich war.   

Wenn Sie auf die Zeit zurückblicken, gibt es eine Quintessenz, die Sie für sich persönlich mitnehmen?
Ich fand die Zeit am Integrationscampus sehr bereichernd und werde die Arbeit dort vermissen. Ich habe 14 Jahre im Ausland gelebt, u.a. in Großbritannien und in Kanada, wo ich an der Hochschule sowie in der freien Wirtschaft immer in internationalen Teams gearbeitet habe und Diversität ebenso als selbstverständlich wie auch als sehr bereichernd erlebt habe. Ich wünsche mir, dass wir uns auch in Deutschland noch mehr für Internationalität öffnen und erkennen, welche Potentiale wir dadurch auch für uns eröffnen können.

Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen für Geflüchtete beim Erwerb der deutschen Sprache?
Ich denke, dass man bei dieser Frage sehr stark differenzieren muss. Die meisten Geflüchteten, die ich in meinen Kursen an der THI kennengelernt habe, hatten bereits ein Studium absolviert, viele haben zudem langjährige Berufserfahrung. Ein Großteil der Teilnehmer spricht außer Deutsch mindestens noch eine weitere Fremdsprache. Damit haben sie gute Voraussetzungen, die deutsche Sprache relativ zügig zu erlernen. Vielen dieser Teilnehmer kann es oft nicht schnell genug gehen, die nächste Lernstufe zu erreichen.

Es gibt aber auch viele Geflüchtete, die zunächst damit beginnen, Lesen und Schreiben zu erlernen, auch in ihrer eigenen Sprache, weil sie in ihren Heimatländern keine entsprechende Schulbildung erfahren haben. Für viele von ihnen wird der Weg zum Spracherwerb wohl deutlich länger werden.

Für alle gilt, dass sie zusätzlich zu den Unterrichtszeiten zahlreiche Termine mit Behörden jonglieren und ihr neues Leben in Deutschland organisieren müssen. Und immer begleitet sie die oft sehr traumatische Erfahrung der Flucht, die Angst um die Menschen, die im Heimatland geblieben sind und Ungewissheit, was die Zukunft betrifft.

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