Vom Mut zum Weitermachen. Eine Erfolgsgeschichte.

Die Geschichte von Mehmet Resat Bozkurt inspiriert. Der 38-jährige Türke arbeitet mittlerweile als Jurist für eine Rechtsanwaltskanzlei und hat große Pläne. Begonnen hat alles im Oktober 2018, als er in den Integrationscampus des Instituts für Akademische Weiterbildung startete. Nach vier Semestern im Qualifizierungsprogramm für Geflüchtete mit Hochschulzugangsberechtigung konnte der studierte Jurist nun auch beruflich in Deutschland anknüpfen. Im Interview spricht er über seine Erfahrungen und darüber, wie man es mit viel Mut und Selbstvertrauen schafft, erfolgreich in einem fremden Land Fuß zu fassen.

Porträtfoto Mann

Mehmet Resat Bozkurt ist nun auch beruflich in Deutschland angekommen. Quelle: Mehmet Resat Bozkurt

Herr Bozkurt, woher stammen Sie und seit wann sind Sie in Deutschland?
Ich komme aus der Türkei und bin nun seit knapp drei Jahren in Deutschland. Nach meinem Abschluss an der juristischen Fakultät der Universität Ankara war ich zwischen 2007 und 2016 als Anwalt in meiner Heimatstadt Van tätig. Von 2012 bis 2014 war ich Mitglied des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer Van und war in dieser Zeit auch zuständig für die juristischen Seminare der Rechtsreferendare.

Sie sind ausgebildeter Jurist und waren knapp zehn Jahre als Anwalt in der Türkei tätig. Was hat Sie motiviert sich für den Integrationscampus zu bewerben?
Leidvolle Erfahrungen in der Vergangenheit und meine persönlichen Ziele für die Zukunft haben mich nachhaltig motiviert am Qualifizierungsprogramm teilzunehmen. In meiner Heimat wurde ich politisch verfolgt und so sah ich mich gezwungen, teils zu Fuß, teils zu Pferd, aus der Region Kurdistan zu fliehen. Wegen mangelnder Sicherheit kam ich im Januar 2017 nach Georgien und schließlich im Juni 2017 nach Deutschland. Ich verbrachte etwa acht Monate in verschiedenen Flüchtlingswohnheimen. Nachdem mein Asylantrag angenommen wurde, habe ich mich im März 2018 in Ingolstadt niedergelassen. Meine Frau und meine drei Töchter sind mit dem Boot nach Griechenland geflüchtet. Im Juni 2018 durften sie schließlich per Familiennachzugsvisum und vorläufigem deutschen Reisepass nach Deutschland reisen. Wir sind Deutschland sehr dankbar dafür.

Ab Juni 2018 konnte ich dann also gemeinsam mit meiner Familie ein neues Leben beginnen. Aufgrund der großen Unterstützung durch den Staat und die deutsche Gesellschaft fühle ich mich verplichtet, etwas zurück zu geben. Daher würde ich mich gerne so schnell wie möglich in diesem schönen Land integrieren und einen Beitrag leisten. Und das beste Programm, um dieses Ziel zu erreichen, war der Integrationscampus. Im Rahmen des Programms erhielt ich neben dem Deutschunterricht viel Unterstützung in beruflichen Themen. So habe ich bspw. gelernt, wie man sich für einen Job bewirbt, wie man sich auf ein Vorstellungsgespräch vorbereitet oder wie man einen Lebenslauf schreibt. Das Team des Integrationscampus hat zum Beispiel recherchiert, in welchen Bereichen ein ausländischer Jurist in Deutschland arbeiten könnte. Es war ein wirklich tolles Gefühl für mich, zu sehen, wie sehr sich Menschen mit anderer Muttersprache, anderer Religion und Kultur so für mich einsetzen. Ich habe nie das Vertrauen in mich verloren, weiterhin als Jurist zu arbeiten, aber der Integrationscampus war ein sehr entscheidender Schritt, um dieses Ziel auch wirklich zu erreichen.

Seit Oktober 2018 sind Sie Teilnehmer des Integrationscampus und mittlerweile haben Sie sogar die C1 Hochschulprüfung erfolgreich absolviert – ein großartiger Erfolg! Worauf kommt es Ihrer Meinung nach besonders an, um die deutsche Sprache zu erlernen und sicher zu beherrschen?
Vielen Dank. Dieser Erfolg gehört nicht nur mir sondern auch dem Integrationscampus-Team und unseren Dozent*innen. Sie haben uns sehr gut motiviert. Es war nicht einfach, nach all den Problemen, die ich hatte, eine neue Sprache zu lernen. Der Anteil an Deutschunterricht und anderen Vorlesungen wie z.B. Digitalisierung, an denen ich teilgenommen habe, war riesig.

Darüber hinaus habe ich die größte Unterstützung von meiner Sprachpartnerin bekommen, sie ist Lehrerin von Beruf. Donnerstags kommt sie zu uns nach Hause und wir unterhalten uns über verschiedene Themen. Es ist sehr wichtig, die eigenen Deutschkenntnisse ständig im täglichen Sprachgebrauch einzusetzen. Sprache ist etwas, das man nicht durch Auswendiglernen, sondern durch Wiederholung erlernen kann. Weiterhin habe ich ehrenamtlich bei der Unicef Hochschulgruppe an der THI und beim Stadtteiltreff Konradviertel, auf Empfehlung des Integrationscampus, gearbeitet. So hatte ich die Gelegenheit, deutsche Muttersprachler kennenzulernen und mit Ihnen auf Deutsch zu sprechen.

Am wichtigsten sind schließlich wohl die eigene Motivation, der Glaube an sich selbst und die Liebe für das, was man tut. Deutsch zu lernen hat mir immer Spaß gemacht. Ja, ich habe alles verloren, aber ich sehe es als einen Neuanfang, nicht als Ende.

Sie konnten im Rahmen mehrerer Praktika bereits erste Berufserfahrung in Deutschland sammeln: Welche Erlebnisse haben Sie rückblickend ganz besonders positiv in Erinnerung? Und was sind Ihres Erachtens die wichtigsten Aspekte, um sich im deutschen Arbeitsmarkt langfristig zu integrieren?
Es scheint für viele unmöglich, dass ein ausländischer Jurist seinen eigenen Beruf in Deutschland ausübt. Seit ich nach Deutschland gekommen bin, haben mir alle gesagt, ich solle doch meinen Beruf vergessen und mich für einen anderen Job entscheiden. Und ich war sehr traurig, als ich hörte, dass ein Anwalt aus der Türkei, Flüchtling wie ich, als Kellner in einem Restaurant arbeitete. Es gibt tausende Menschen wie ich, die aus der Türkei nach Deutschland geflüchtet sind. Die meisten von ihnen haben einen akademischen Hintergrund. Viele meiner Freunde, denen ich den Integrationscampus empfohlen habe, haben so nun auch die Möglichkeit, mithilfe des Programms künftig in ihren erlernten Berufen auch in Deutschland zu arbeiten.

Meiner Meinung nach sind Praktika der beste Weg, um sich im deutschen Arbeitsmarkt zu integrieren. Daher wollte ich ein juristisches Praktikum machen und so konnte ich mithilfe des Integrationscampus-Team ein erstes, zweimonatiges Praktikum in der Rechtsabteilung von MediaMarktSaturn Deutschland absolvieren. Dort konnte ich mich mit deutschem Recht und deutschen juristischen Begriffen vertraut machen und schließlich selbstständig Beschwerdebriefe beantworten und Klageerwiderungen verfassen. Nach diesem Praktikum war ich überzeugt davon, dass ich auch in Deutschland eine Anstellung als Jurist finden könnte und außerdem half mir dieses Praktikum meinen jetzigen Job zu finden. Ich sehe Praktika als eine Art Test für den eigentlichen Job: Man hat die Chance, herauszufinden, ob der Job das Richtige ist und gleichzeitig erhöht man seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt.

Mit Blick auf die Zukunft in Deutschland: Welche beruflichen Ziele haben Sie sich gesteckt?
Ab März 2020 arbeite ich als Jurist bei der Rechtsanwaltskanzlei Dr. Galli & Riedl in Augsburg. Ich bin gerade in der Probezeit. In dieser Kanzlei berate ich türkische und kurdische Mandanten in ihrer Muttersprache und kümmere mich um die Rechtsangelegenheiten dieser Menschen zusammen mit meinen deutschen Kolleg*innen. Mein erstes Ziel ist es, hier an einem unbefristeten Arbeitsvertrag zu arbeiten. Langfristig möchte ich einen Master in Rechtswissenschaften in Deutschland machen. Das gibt mir die Möglichkeit, das deutsche Rechtssystem besser kennenzulernen.

Ich bin einer von Millionen Flüchtlinge, die gezwungen wurden, Ihr Land zu verlassen, aber Gott hat mir die Möglichkeit gegeben, hier ein neues Leben zu beginnen. Dank dieses Programms hatte ich die Chance, mich selbst zu entwickeln und sehr wertvolle Freundschaften aufzubauen. Deutschland ist jetzt meine zweite Heimat. Mein größter Wunsch ist es, etwas für Deustchland und seine Menschen zu schaffen, die uns hier in ihrer Gesellschaft willkommen geheißen haben.

NEU ab Wintersemester 2020/21: THIntegriert – eine Qualifizierungsmaßnahme für geflüchtete Akademiker*innen

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